Seit einer Woche nehmen sich einige Medien der Wirren um die Wirksamkeit von Impfstoffen an. So titelt etwa FOCUS „Viele Mediziner verstehen grundlegende Statistiken nicht“. FOCUS leider auch nicht – oder zumindest nennt man den Elefanten, der da dick und breit im Raum steht, nicht beim Namen: Eigentlich sagt die Wirksamkeit nichts aus.

Im Beitrag bezieht man sich auf eine Erläuterung des RWI, welche die Zusammenhänge technisch korrekt darstellt. Da heißt es beispielsweise:

In einer Saison mit geringer Verbreitung des Grippevirus liegt die Wirksamkeit der Grippeschutzimpfung etwa bei 50 Prozent. Diese Zahl bedeutet aber nicht, dass 5 von 10 Geimpften vor der Grippe geschützt sind. Sie bedeutet, dass von je 100 Personen ohne Impfung zwei eine bestätigte Influenzainfektion bekamen, und von je 100 Personen mit Impfung nur eine

RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung

Greifen wir das Beispiel der Grippe-Impfung einmal auf. Unter der Annahme, dass sich 2% der Bevölkerung mit Influenza infizieren, können wir dieses Risiko wie folgt darstellen.

Grafische Darstellung einer Infektionsquote von 2% (qualitativ, nicht maßstabsgetreu)

Unter Einsatz des vom RWI erwähnten Impfstoffes mit 50% Wirksamkeit verändert sich dieses Bild wie unten dargestellt.

Grafische Darstellung einer Infektionsquote von 1% nach Einsatz eines Impfstoffs mit 50% Wirksamkeit (qualitativ, nicht maßstabsgetreu)

Natürlich stimmt es, was RWI, FOCUS, n-tv und diverse andere schreiben: Das Risiko einer Infektion halbiert sich in diesem Fall für Geimpfte. Was jedoch kaum einer bemerkt: Die Wahrscheinlichkeit, sich nicht zu infizieren, wächst lediglich von 98% auf 99% – also um einen Prozentpunkt. Die Wahrscheinlichkeit nicht zu erkranken (wenn man das so schreiben darf) wächst also nur um ca. 1%!

\frac{0,99}{0,98} \approx 1,0102 \dots

Man kann sich fragen, ob in diesem Fall potenzielle Nebenwirkungen in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen stehen. Anders könnte der Fall für eine gut sozialisierte 80jährige in Hinblick auf Corona aussehen. Gehen wir davon aus, dass ihr persönliches Risiko einer Infektion – ja gar eines kritischen Verlaufs – bei 60% liegt, dann sinkt das Infektionsrisiko auf 30%. Ihre Chance auf Unversehrtheit steigt von 40% auf 70%. Das ist eine Steigerung um grandiose 75%!

\frac{0,70}{0,40} = 1,75

Fazit: Neben der Wirksamkeit eines Vakzins spielt das (persönliche) Infektionsrisiko eine maßgebliche Rolle. Je geringer das persönliche Risiko ist, desto entscheidender wird die Wirksamkeit. Für gefährdete Bevölkerungsgruppen kann eine Impfung mit einem Wirkstoff niedriger Wirksamkeit besser sein als gar keine Impfung.