Was die Welt im Innersten zusammenhält

Ein wissenschaftlicher Blog über die verblüffenden Zusammenhänge der Welt

Das Zwei-Zettel-Spiel

Früher hatten die Menschen wohl noch Zeit, um sich den wirklich interessanten Fragen des Alltags zu stellen. Thomas M. Cover stieß beispielsweise auf das Phänomen des Zwei-Zettel-Spieles. Die Idee ist simpel: Man nehme zwei Zettel und lasse von einer Person zwei zufällige (und sinnvollerweise auch unterschiedliche) Zahlen darauf schreiben. Nun darf man einen der beiden Zettel wählen. Nach Betrachtung der darauf notierten Zahl, muss man einen Tipp darüber abgeben, ob die Zahl auf dem anderen Zettel größer oder kleiner ist. Da es sich um beliebige Zahlen handeln kann, müsste die Wahrscheinlichkeit für einen korrekten Tipp bei 50% liegen. Tatsächlich gibt es aber eine Strategie, die mindestens 50% Trefferwahrscheinlichkeit erzielt. Es gibt Dinge, die sind schon verblüffend!

Die Lösungsstrategie

Die Lösungsstrategie lautet in etwa wie folgt: Denke dir eine Zufallszahl R aus. Wenn die Zahl auf dem ersten Zettel E kleiner ist als deine Zufallszahl, dann tippe darauf, dass die Zahl auf dem zweiten Zettel Z größer sein wird als die erste Zahl E. Ist die Zahl auf dem ersten Zettel E hingegen größer als deine Zufallszahl R, dann tippe entsprechend darauf, dass die Zahl auf dem zweiten Zettel Z kleiner ist als die auf dem ersten Zettel E.

Der Beleg

Wie beweist man das? Der einfachste Weg besteht darin, die drei möglichen Fälle zu betrachten. Im ersten Fall ist die ausgedachte Zufallszahl R größer als die beiden Zahlen auf den Zetteln. Ist die zweite Zahl Z größer als die erste Zahl E, so liegen wir richtig – sonst nicht. Im ersten Fall sehen wir uns also einer 50:50-Chance gegenüber. Gleiches gilt für den zweiten Fall. Bevor wir zum dritten (und entscheidenten) Fall kommen, gibt es hier eine kleine Übersicht:

Übersicht der einzelnen Fälle

Übersicht der einzelnen Fälle

Augenscheinlich kann man im dritten Fall nicht falsch liegen. Seien P1, P2, P3 die Wahrscheinlichkeiten, dass die Fälle 1, 2 oder 3 eintreten. Weil P1+P2+P3=1 können wir die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges PE mathematisch wie folgt modellieren.

P_{E}=0.5 \times P_{1} + 0.5 \times P_{2} + P_{3}=0.5 \times (1-P_{2}-P_{3})+ 0.5 \times P_{2} + P_{3}=0.5+0.5 \times P_{3}

Die Erfolgswahrscheinlichkeit beträgt also 50% zzgl. der Wahrscheinlichkeit, dass Fall 3 eintritt. Folglich weist die Strategie eine Erfolgswahrscheinlichkeit von mehr als 50% auf!

Bedeutung und Ausblick

Revolutionär am Zwei-Zettel-Spiel ist aus meiner Sicht die Universalität! Es ist vollkommen egal, wie E und Z verteilt sind. Und selbst wenn man R extrem ungünstig wählt, ist man noch immer nicht schlechter als mit blindem Raten. Für mich rangiert das Zwei-Zettel-Spiel in der Liga, in der auch die Tschebyscheff-Ungleichung zu Hause ist. Wie auch die Strategie des Zwei-Zettel-Spieles erscheint die Ungleichung sinnlos, wenn man mehr Informationen über die Verteilung der Zufallsvariable besitzt. Hat man diese Informationen aber nicht, dann kann die Formel Gold wert sein!

4 Kommentare

  1. Für mich stellt sich eine entscheidende Frage: wie denke ich mir eine Zufallszahl aus? Ein anderes Problem wäre folgendes: du wirst gebeten, eine Größe abzuschätzen, z.B. die Höhe eines Gebäudes. Ein unbekannter Mitspieler gibt ebenfalls einen Tipp ab. Du gewinnst, wenn du näher am wahren Wert dran bist als dein Gegner. Wie wählst du deinen Schätzwert, um deine Gewinnwahrscheinlichkeit zu maximieren?

    • Jan Rothkegel

      30. Dezember 2015 at 16:35

      In dem Falle wären die beiden Schätzungen die Zufallsgrößen. Da wir aber nicht an einer Vorhersage dahingehend interessiert sind, ob die eine Schätzung größer als die andere ist, kann man diese Situation wohl eher nicht auf das Zwei-Zettel-Spiel zurückführen. Besser ist hier das Schätzverfahren zu optimieren: https://de.wikipedia.org/wiki/Daumensprung

  2. Ich bin über deine Herleitung der Summenformeln auf deinem Blog gelandet und stöbere gerade begeistert herum.

    Bei der Begründung zum Zwei Zettel Spiel irritiert mich gerade, dass die Fälle E=R bzw. Z=R nicht berücksichtig werden und dadurch m.E. die Modellierung von P_E etwas hinkt, oder?

    • Jan Rothkegel

      27. November 2020 at 17:30

      Es freut mich, dass dir die Beiträge gefallen 🙂

      Ich denke einerseits, dass man unter praktischen Gesichtspunkten mit P(E=R)=P(Z=R)=0 ansetzen könnte. Schließlich haben wir keine spezielle Wahrscheinlichkeitsfunktion definiert und können vereinfacht annehmen, dass die Wahrscheinlichkeit für alle Elemente in R in etwa gleich klein ist.

      Eine andere Möglichkeit besteht darin, die beiden von dir benannten Fälle in meinen Fällen 1 und 2 aufgehen zu lassen. Wir hätten dann

      P_1=P(E<=R,Z<=R)=P(E>=R,Z>=R)=P_2

      wodurch die Argumentation problem- und widerspruchsfrei funktionieren sollte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*